Offenheit und Neugierde für zukünftige Themen

Seit Mitte letzten Jahres ist Markus Lanzerath neuer Geschäftsführer der Fachvereinigung Betonrohre und Stahlbetonrohre e. V. (FBS). Der 32-jährige studierte Wirtschaftsingenieur und ehemalige wissenschaftliche Mitarbeiter der RWTH Aachen befasst sich seit mehr als zehn Jahren mit Fragestellungen aus dem Bereich öffentlicher Entwässerungsnetze. Im Gespräch mit der BWi-Redaktion erklärt er, wie er gemeinsam mit dem neuen Vorstand die FBS für zukünftige Herausforderungen aufstellen will.

Seit dem 01. August 2019 sind Sie neuer Geschäftsführer der Fachvereinigung Betonrohre und Stahlbetonrohre e. V. in Bonn. Welchen Eindruck konnten Sie von der FBS, ihren Mitgliedern und der Branche in diesem halben Jahr gewinnen?


Lanzerath: Die FBS war und ist ein bekannter und kompetenter Anlaufpunkt für jegliche Fragen in Verbindung mit Betonrohren und -schächten. Die Mitglieder bilden eine starke Gemeinschaft, die Betonprodukte deutschlandweit und darüber hinaus liefern können. FBS ist als Qualitätsmarke bekannt, die sich in den Köpfen vieler kommunaler Entscheider, bei Ingenieurbüros und letztlich in der überwiegenden Anzahl an Ausschreibungen wiederspiegelt.

Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Aufgaben, vor denen die FBS jetzt steht?

Lanzerath: Eine Hauptaufgabe besteht darin, die Fachvereinigung umfassend für die Zukunft aufzustellen. Dazu gehört insbesondere, ihren über Jahrzehnte gewachsenen Qualitätsgedanken weiter auszubauen und Kommunen und Ingenieurbüros weiterhin zu sensibilisieren.
Die Herausforderung ist durchaus komplexer als es zunächst erscheinen mag: Wir treffen regelmäßig auf Informationsdefizite, die uns zeigen, dass Planer über Betonkanalsysteme falsch bzw. nicht ausreichend informiert sind. Hinzu kommt, dass Schäden an Rohren vergangener Jahrzehnte dem heutigen hochentwickelten und vielseitigen Werkstoff Beton anhaften. Diese Vorurteile abzubauen ist eine fortwährende Aufgabe.

Gleichzeitig gilt es, Bauherren und Ingenieurbüros für den Lebenszyklus von Abwasserrohren zu sensibilisieren und auf emotional diskutierte Themen einzugehen, wie bspw. Mikroplastik, Recycling, CO2-Ausstoß etc. Hier können wir insbesondere gegenüber Kunststoffrohrherstellern punkten.
Neben der dauerhaften und intensivierten Aufklärungsarbeit werden wir systematisch unsere Position als Competence Center für Betonkanalsysteme ausbauen. Unsere eigene Expertise und das Fachwissen unserer Mitgliedsfirmen werden durch ein breites Netzwerk an Experten ergänzt, mit dem wir jeglicher Fragestellung entsprechen können. Wir stehen daher Ingenieurbüros und Kommunen in Bezug auf Fragestellungen rund um Betonkanalsysteme zur Verfügung und werden unseren Servicegedanken weiter ausbauen. Hierzu zählt ebenfalls, dass wir im Planungs-, Ausführungs- und Abnahmeprozess unterstützen können.

Wie werden Sie diese Aufgaben angehen und welche Ressourcen stehen Ihnen dafür zur Verfügung?

Lanzerath: Die Vielzahl an Aufgaben führt zwangsläufig dazu, dass diese auf mehrere Schultern verteilt werden müssen. Wir werden uns im Jahr 2020 nochmals personell verstärken, um unterschiedliche Projekte schnell und zeitgleich angehen zu können und zudem den Anfragen aus dem Kreis unserer Mitglieder sowie den von außen an uns herangetragenen Fragestellungen adäquat, mit der entsprechenden Qualität sowie der gebotenen Schnelligkeit gerecht werden zu können. Zudem haben wir erst vor Kurzem zusätzliche personelle Unterstützung für unseren Vorstand gewinnen können, über die wir uns sehr freuen (gemeint ist die 36-jährige Beisitzerin Nina Wensauer Grimm, Geschäftsführerin der Wensauer Betonwerk GmbH, Stockstadt am Main, d. Red.).

Sie haben es bereits angesprochen – ein Thema, das Ihnen wichtig ist, ist die bessere Positionierung von Beton- und Stahlbetonrohren. Im Wettbewerb mit Kunststoff leiden die Stahlbetonrohre teilweise noch an einem ungünstigen Image aus den 60er und 70er Jahren, als sie häufig schnell von Korrosion betroffen waren. Wie werden Sie sich dieses Themas annehmen?

Lanzerath: Qualität ist seit jeher, unabhängig vom Anwendungsgebiet, ein wesentlicher Erfolgsfaktor für alle Beteiligten. Produkte aus Beton, in diesem Fall Rohre und Schächte, haben mit dem Werkstoff Beton der 60er und 70er Jahre rein gar nichts zu tun. Die Erkenntnisse, Anforderungen aus Normen und Regelwerken sowie die Produktions- und Betontechnologie haben einen enormen Fortschritt gemacht. Dass uns Schäden an Betonkanälen vergangener Jahrzehnte noch heute anhaften, liegt zum einen an mangelnder Information und zum anderen in der Natur der Statistik.

Um bei Ihrem Beispiel der Korrosion zu bleiben: Schauen Sie sich einmal die Ergebnisse der jüngsten Umfrage der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall, der DWA, zum Zustand der öffentlichen Kanalisation an. Innerhalb der prozentualen Schadensverteilung wird Korrosion der Kategorie „Oberflächenschäden“ zugewiesen, die in Summe – also mit einer Vielzahl an weiteren Faktoren wie bspw. Verschleiß und unabhängig von ihrer Zuteilung zum Alter der jeweiligen baulichen Objekte – einen Anteil von 10 % ausmacht.

Korrosion ist zunächst einmal ein Planungsthema, dem sich der Ingenieur durch Maßnahmen der Verhinderung sowie anschließend durch ausreichendes Gefälle und Belüftung annehmen muss.

Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Reduzierung des CO2-Ausstoßes u. ä. sind Themen, denen sich auch die Hersteller von Betonrohren und Stahlbetonrohren zunehmend stellen müssen. Welche Argumentation geben Sie den Herstellern an die Hand?

Lanzerath: Beton ist von sich aus nachhaltig, da er recycelt werden kann. Unter Nachhaltigkeit verstehen wir jedoch nicht nur die Wiederverwendung bzw. -verwertung und den Bezug regionaler Ausgangsstoffe wie Sand, Kies etc., sondern ebenfalls den Lebenszyklus eines Abwasserkanals. Wer heutzutage mit Betonrohren und -schächten baut und diese vernünftig einbauen lässt, baut für die Ewigkeit.

Umweltschutz ist ein ebenso wichtiges Thema, dem wir uns annehmen. Beispielhaft sei zu erwähnen, dass das Umweltbundesamt in einer Studie aus dem Jahr 2019 den Eintrag von Mikroplastik durch Abrieb in Abwasserrohren identifiziert hat. Dass damit nicht Betonrohre gemeint sind, sollte jedem klar sein.

In Bezug auf den CO2-Ausstoß von Betonrohren und -schächten ist anzumerken, dass wir viel besser dastehen, als man vielleicht erwartet. Wir haben in einer Vorstudie offizielle Werte der Datenbank „Ökobaudat“ des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herangezogen und in Abhängigkeit vom Rohrwerkstoff, u. a. PP, PE, GFK, PVC, Beton- und Stahlbeton sowie in Abhängigkeit von den Nennweiten eine Matrix mit dem jeweils auf das Gewicht pro Meter bezogenen „globalen Erwärmungspotenzials“ aufgestellt. Dabei zeigt sich: Betonrohre stehen im Gegensatz zu anderen Werkstoffen viel besser da und überzeugen bei der Betrachtung des Ressourceneinsatzes, angefangen von der Herstellung einschließlich der Produktion der Ausgangsstoffe bis zum Recyclingpotenzial am Ende der Lebensdauer. Wir werden diese Studie weiter detaillieren und nochmals begutachten lassen, da wir hier klare Vorteile in Zeiten von Klimanotständen und CO2-reduzierter Bauweise sehen. Holland ist ein wichtiges Vorbild, da dort bereits der CO2-Wert von Bauprodukten in der Ausschreibung Relevanz besitzt.

Im Vorgespräch, das wir vor einigen Monaten hier in Bonn in Ihrem Büro mit Ihnen geführt haben, haben wir auch die Themen BIM und digitalisierte Planung gestreift. Vor welchen Herausforderungen steht die Branche in diesem Zusammenhang?

Lanzerath: Digital wird heutzutage jedes Bauwerk geplant. Eine Planung mit BIM ist hingegen eher die Ausnahme, was letztlich an verschiedenen Faktoren liegt. Vorweg ist die Komplexität von Leitungsbauwerken gegenüber Bauvorhaben aus dem Hochbau als gering anzusehen, sodass eine Planung mit BIM oftmals als „übertrieben“ oder „unnötig“ bewertet wird. Hinzu kommt jedoch, dass die Rahmenbedingungen, die BIM im Kanalbau überhaupt definieren, gegenwärtig erst wachsen. Letztlich fehlt oftmals Kommunen die personelle Kapazität, in BIM zu planen und das daraus hervorgehende Modell für die Betriebsphase zu nutzen. Hier ist viel Grundlagen- und Informationsarbeit zu leisten, an der wir partizipieren. Wir können uns BIM nicht mehr verschließen, im Gegenteil: Wir tragen aktiv zur Gestaltung der Rahmenbedingungen bei.

Herr Lanzerath, wir danken Ihnen für das Gespräch!

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