Modulare Vorfertigung zum schnellen Leichtbau

Nachhaltiges Bauen kennt vielfältige Anforderungen. Es gilt sparsam mit Material, Finanzmitteln und Arbeitskraft umzugehen, wenig Störungen aus einer Baustelle für andere zu erzeugen und dauerhaft langlebige Strukturen zu schaffen [1]. Allein monetäre Kriterien reichen nicht aus. Ganzheitliches Ziel ist es vielmehr Verschwendung zu vermeiden, die sich in all den aufgezählten Kriterien ausprägen kann. Der aktuelle Neubau von Brücken und Hochbauten in Europa zeigt wie wichtig dabei der Faktor Zeit geworden ist. Langsame Bautätigkeiten sind mit sensibel vernetzten Waren- und Verkehrsströmen nicht in Einklang zu bringen und besonders verschwenderisch durch Staus, Emissionen und verlorene humane Arbeitszeit. Ziel des Schwerpunktprogramms (SPP) 2187 „Adaptive Modulbauweisen mit Fließfertigungsmethoden“ ist es Methoden der serienartigen Vorfertigung zu entwickeln, die eine möglichst kurze Bauzeit ermöglichen [2]. Dazu werden Strukturen in ähnliche Module geteilt, ortsfest vorgefertigt und auf der Baustelle nur noch zusammengefügt. Wichtig sind eine sensorische Nachverfolgung der Module und ihre lückenlose Qualitätssicherung, dass kein Teil fehlt, keine Nachbearbeitung nötig ist und der Aufbau nach dem Konzept des digitalen Zwillings spiegelbildlich zu einem digitalen Grundmodell erfolgt.

Peter Mark und Patrick Forman, Ruhr-Universität Bochum, Deutschland

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG fördert das SPP seit 2020. Das Programm ist auf sechs Jahre angelegt und bringt rund 60 Forschende aus den Disziplinen des Konstruktiven Ingenieurbaus, der Produktionstechnik, der Bauinformatik sowie der Mathematik zusammen. Disziplinübergreifendes Denken und Entwickeln ist gefragt. Beteiligt sind acht Universitätsstandorte, konkret die Universität Stuttgart, die technischen Universitäten aus München, Dresden, Berlin und Chemnitz, das Karlsruher Institut für Technologie, die Leibniz Universität Hannover und die Ruhr-Universität Bochum.
Inhaltlich werden im Programm drei zentrale Forschungsfelder behandelt, nämlich:
- Entwerfen und Konstruieren unter dem Aspekt der Modularisierung
- Fertigungsstrategien und Produktionskonzepte für skalierbare Tragwerksmodule
- Durchgängige, digitale Modelle für den Entwurfs-, Fertigungs- und Montageprozess
Es geht um Modularisierungsmethoden und Modulkonzepte, also z. B. Zerlegungskonzepte, Fügeprinzipien oder Verbindungen mit Toleranzausgleich. Im Bereich von Fertigung und Produktion stehen die Entwicklung von Produktionssystemen, die Qualitätssicherung und die Fertigungssteuerung im Vordergrund. Ziel der digitalen Modelle ist es, eine konsistente Interaktionsmodellierung abzuleiten, eine durchgängige Verknüpfung also zwischen den relevanten Prozessen inkl. einer Anbindung an die Nutzungsphase.


Die Abbildung zeigt die verschiedenen Forschungsthemen der 13 Teilprojekte als Zuordnung zu den drei Forschungsfeldern (farbige Kreise). Sie verteilen sich nahezu gleichmäßig auf die Felder und werden in der Regel als sogenannte „Tandemprojekte“ durch je zwei Forschungsinstitute getragen. In den folgenden Ausgaben von BWI – BetonWerk International werden alle Teilprojekte in Kurzbeiträgen inhaltlich vorgestellt. 
Literatur
[1] Ahrens, M. A.; Strauss, A.; Bergmeister, K.; Mark, P.; Stangenberg, F.: Lebensdauerorientierter Entwurf, Konstruktion, Nachrechnung, Betonkalender Bd. 1, Hrsg. Bergmeister, K., Fingerloos, F. & Wörner, J.-D., 2013, S.17-222. (ISBN 978-3-433-03000-4)
[2] Forman, P.; Mark, P.: DFG Schwerpunktprogramm 2187: Adaptive Modulbauweisen mit Fließfertigungsmethoden – Präzisionsschnellbau der Zukunft, BetonWerk International 85(6), 2019, S. 12-14.
Ruhr-Universität Bochum


Teilprojekt SPP 2187

Prof. AA Dipl.(Hons) Achim Menges, Dipl.-Ing., LEED AP Tobias Schwinn und Dipl.-Ing. David Stieler, Universität Stuttgart, Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD), Deutschland

Agentenbasierte Methoden für die fertigungsgerechte Planung adaptiver Modulbauweisen aus Betonfertigteilen

Hocheffiziente, lastadaptierte Strukturen, zeichnen sich durch ein hohes Maß an Bauteildifferenzierung aus. Gemäß dem Prinzip „Individualität im Großen – Ähnlichkeit im Kleinen“ soll diese Variabilität durch adaptive Grundmodule unter den Bedingungen der Serienfertigung realisierbar werden. Um das Potential adaptiver Modulbauweisen mit Fließfertigungsmethoden hinsichtlich Schnelligkeit und Qualität bei gleichzeitiger Flexibilität für das Bauwesen zu erschließen, sind daher computerbasierte Planungsmethoden erforderlich, die sowohl Anpassungsfähigkeit der Bauteilgeometrie als auch eine stets fertigungsgerechte Planung ermöglichen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen am ICD Stuttgart steht somit die Entwicklung einer durchgehend digitalen Planungsmethode für modularisierte Betonstrukturen. Multi-kriterielle Aspekte der Segmentierung, der Fügung, sowie der Fertigung und der Montage sollen berücksichtigt werden und miteinander im Austausch stehen. Durchgängig digitale Modelle sollen dabei einerseits den Anforderungen des Entwurfs- und Planungsprozesses genügen, sowie die Grundlage für die digitale Fertigung bilden. Nicht allein die Durchgängigkeit steht im Vordergrund, sondern vor allem die Integration durch systematische Rückkopplung von Anforderungsparametern aus üblicherweise zeitlich nachgestellten Planungsphasen in den Entwurf. Etwa 80 % der ökologischen und ökonomischen Performance eines fertigen Gebäudes wird durch Entwurfsentscheidungen determiniert, die in den ersten 22 % der gesamten Planungszeit getroffen werden [1]. Deshalb soll Rückkopplung im Planungsprozess nicht sporadisch erfolgen, sondern hochfrequent-iterativ in regelbasierten digitalen "Schleifen". Über die vorgenannten Kriterien hinaus, kommt dabei auch den Schnittstellen zur Tragwerksplanung, Lebenszyklus- und Lebenskostenanalyse besondere Aufmerksamkeit zu.

Um den segmentierten Charakter von Entwurf, Planung- und Fertigung in einen kontinuierlichen, miteinander verbundenen Prozess zu verwandeln wird die agentenbasierte Modellierung (ABM) vorgeschlagen. Hierbei handelt es sich um Computersimulationen, in denen zumeist eine Vielzahl an Individuen („Agenten“) in einer Umwelt interagiert [2]. Diese erlaubt, komplexe Wechselwirkungen jenseits datenbankbasierter bzw. parametrischer Planungsmethoden abzubilden. Zahlreiche Vorarbeiten des ICD Stuttgart im Bereich des integrativen, computerbasierten Planens haben den Nutzen und die Vorteile der ABM gegenüber manuellen oder auch parametrischen Entwurfsmethoden bereits demonstriert [3]. Aufbauend auf diesem methodischen Rahmenwerk, soll die ABM-Methode hinsichtlich der Fließfertigung von Betonfertigteil-Konstruktionen erweitert werden. Die Synthese der Anforderungen in dem agentenbasierten Modellierungsansatz geschieht zunächst als allgemein anwendbare Planungsmethodik für digital hergestellte Betonfertigteile, bevor im Rahmen einer spezifischen Fallstudie die Methode validiert und evaluiert werden soll. Ein neuer, wesentlicher Beitrag dieses Projekts ist die Optimierung des Agentenverhaltens durch bestärkendes Lernen. Hierbei wird maschinelles Lernen auf das ABM angewandt, um gewünschte Systemeigenschaften auf Makro-Ebene besser vorherzusehen und gerichtete Regeln für die Entscheidungsfindung auf der Mikro-Ebene schneller entwickeln zu können.
Perspektivisch ist die Methode nicht nur als integrativer Planungsansatz relevant, sondern auch als Steuerungs- und Regelungsmethode im Rahmen eines Cyber-Physischen Produktionssystems.

Literatur
[1]  Bogenstätter, U. (2000). Prediction and optimization of life-cycle costs in early design. Building Research & Information, 28(5–6), 376–386.
[2]  Metz, T. (2017). Agent-Based Modeling (ABM). In Sebastian Jäckle, editor, Neue Trends in den Sozialwissenschaften Innovative Techniken für qualitative und quantitative Forschung, S. 11-12.
[3] Groenewolt, A., Schwinn, T., Nguyen, L., Menges, A. (2018), An interactive agent-based framework for materialization- informed architectural design. Swarm Intelligence, Volume 11, Special Issue on Self-Organised Construction, Springer.

Teilprojekt SPP 2187

Albert Albers, Christoph Kempf, Robert Renz und Markus Spadinger, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), IPEK – Institut für Produktentwicklung, Deutschland
Lothar Stempniewski und Agemar Manny, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Massivbau und Baustofftechnologie (IMB) – Abteilung Massivbau, Deutschland

Intelligente Modularisierung für den skalierbaren Betonbau durch Adaption der Methoden zur Baukastenentwicklung

Modulares Bauen ermöglicht die Vereinheitlichung von Erzeugnissen und Abläufen bei der Bauteilproduktion. Zudem bildet diese Bauweise eine wichtige Grundlage, um Skaleneffekte für unterschiedliche Gebäudegrößen und -typen nutzen zu können. Der Einsatz von ultrahochfesten Betonen mit Carbon-/Textilbewehrung macht zudem die Errichtung langlebigerer und leichterer Gebäude möglich. Sie stellen somit eine wirtschaftliche sowie ökologische Alternative zum klassischen Stahlbeton dar. Das Ziel des gemeinsamen Forschungsvorhabens ist der Transfer methodischer Konzepte zur Baukasten- und Plattformentwicklung vom Maschinenbau auf das Bauingenieurwesen sowie die Untersuchung der ultrahochfesten Textilbetonkomponenten des Baukastens. Die einzelnen Bauteile werden vor Ort mittels einer Null-Toleranz-Trockenfuge – wie aus dem modernen Fahrzeugbau bekannt – montiert. Standardisierte Module lassen sich effizient produzieren und sind zudem zeit- und kosteneinsparend montierbar. Bei der Ausführung der Segmentierung wird die in der Abbildung dargestellte Skelettbauweise betrachtet, die aufgrund ihrer hohen Flexibilität im Grund- und Aufriss eine geeignete Bauart zur Anwendung der Baukastenarchitektur darstellt.

Der Fokus des Forschungsvorhabens auf Seite der Abteilung Massivbau des Instituts für Massivbau und Baustofftechnologie (IMB) am KIT ist die Entwicklung eines grundlegenden Konzepts zur Errichtung von biegesteifen Rahmenkonstruktionen aus einzelnen Baukasten-Modulen in definierten Baureihen. Die vorgefertigten Elemente sollen mithilfe eingesetzter Spannglieder zu einem Gesamttragwerk verspannt werden. Hierbei stellen sich die Fragen, wie kann die Sicherstellung der statischen Anforderungen an die Kraftübertragung der Null-Toleranz-Trockenfugen, die standardisierte Ausbildung der Schnittstellen zwischen Spannglied und Bauteil, die korrekte Anordnung der Textilbewehrung im Bauteil und die Dimensionierung der Hochleistungsbauteile realisiert werden. Der Fokus seitens des IPEK – Institut für Produktentwicklung am KIT liegt auf der Übertragung der Methoden der Baukasten- und Baureihenentwicklung auf die Entwicklungsmethoden des Bauwesens, um die Effizienz- und Effektivitätsvorteile dem Hochbau zur Verfügung zu stellen. Die Struktur und die Bausteine des Baukastens werden mittels eines evolutionären Algorithmus definiert, um die optimalen Modulvarianten, mit dem Ziel einer minimalen internen Vielfalt bei hoher externer Vielfalt, zu bestimmen. Dabei stellen sich die Fragen, welche Struktur der Baukasten aufweisen muss, welche Module notwendig und welche Abmessungen möglich sind. Die Erfüllung der Teilziele in diesem gemeinsam beantragten Forschungsvorhaben ermöglicht eine erhebliche Materialreduktion bei kurzen, nahezu vom Wetter unabhängigen Bauzeiten und somit eine deutliche Baukosteneinsparung. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit beider Institute fördert außerdem den Wissensaustausch und -transfer zwischen den Domänen Bauingenieurwesen und Maschinenbau.

 

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