Teilprojekt SPP 2187 – Der digitale Zwilling für die schnelle und präzise Fertigung von Betonmodulen

Das Projekt „Der digitale Zwilling für die schnelle und präzise Fertigung von Betonmodulen“ beschäftigt sich im Kern damit, eine vollständige, konsistente und aktuelle Modellrepräsentation über die verschiedenen Phasen und Teilaspekte des BIM-Prozesses zu erstellen. BIM (Building Information Modeling) wird dabei als Informationsmanagementmethode für Bauprojekte, die auf der konsequenten Verwendung digitaler Modelle über den gesamten Bauwerks-Lebenszyklus basiert, verstanden [1].

Autoren: Prof. Dr.-Ing. Markus König, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Informatik im Bauwesen, Deutschland, Prof. Dr.-Ing. Detlef Gerhard, Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl für Digital Engineering, Deutschland

Diese Durchgängigkeit ist essentiell wichtig für eine effiziente Gesamtprozesskette im Sinne einer industrialisierten Herstellung in Anlehnung an Industrie 4.0 Konzepte und CPPS (Cyber-Physische Produktionssysteme) [2] aus dem Maschinenbau. Der Digitale Zwilling [3] als digitale Abbildung in Echtzeit von Produkt, Prozess und Ressourcen fungiert letztlich als Drehscheibe für alle Datenanalyse- und Visualisierungswerkzeuge sowie für die Steuerung von industriellen Fertigungslinien. Das Projekt geht unter anderem den Fragen nach, wie Daten für den digitalen Zwilling eines Betonmoduls strukturiert und verknüpft werden können, wie funktionale Anforderungen an die Fertigung formal und prüfbar modelliert werden können, wie die einzelnen Module wichtige Informationen zur Fertigung automatisch sammeln und mit den Betriebsmitteln und Prozessen interagieren können und wie die Qualitätssicherung der einzelnen Module auf Basis der gesammelten Daten verbessert werden kann.

Arbeitsprogramm und Methoden

Das Arbeitsprogramm umfasst zunächst die Erarbeitung von Ontologien für verschiedene Aspekte des Gesamtprozesses für Module aus frei formbaren Hochleistungswerkstoffen, insbesondere Konstruktion, Funktion, Produktion, Qualität, Lebensdauer und Recyclingfähigkeit. Für einen agilen und adaptiven Prozess ist ein durchgängiges Management der Anforderungen im Sinne von Smart Engineering mit entsprechender Nachverfolgbarkeit erforderlich. Dazu wird die formale Beschreibung von Toleranzen und domänenspezifischen Qualitätsmerkmalen und die Entwicklung von Regelsprachen für die automatische Prüfung (Tracking and Tracing) erforscht.

Ein wesentliches Arbeitspaket ist die Entwicklung der Verwaltungsschale entsprechend RAMI 4.0 [4] und Interaktionsmodelle, insbesondere Integration von bestehenden Datenmodellen des Bauwesens mit der Verwaltungsschale, um eine ganzheitliche Sicht auf die Planung und Produktion eines Bauwerks zu ermöglichen und die Entwicklung von Mensch-Maschine- und Maschine-Maschine-Kommunikation inklusive semantischer Anfragesprachen für den Informationsaustausch. Am Ende des Projekts werden dann basierend auf den Vorarbeiten grundsätzliche Konzepte zur Visualisierung und Navigation des digitalen Zwillings und seiner Interaktionen erarbeitet, wobei Technologien aus dem Bereich von Virtual und Augmented Reality für die Mensch-Maschine-Interaktion zum Einsatz kommen. Die Evaluierung der erarbeiteten bzw. prototypisch implementierten Methoden und Modelle im Rahmen des Schwerpunktprogramms 2187 bildet den Abschluss des Projekts.


Teilprojekt SPP 2187

Entwicklung einer simulationsbasierten Methode zur Bewertung von Zerlegungsstrategien von Baustrukturen in einzelne Module aus produktionstechnischer Sicht in der frühen Phase der Modul- bzw. Baukastenentwicklung

Madlin Müller, Prof. Dr.-Ing. Michael Völker und Prof. Dr.-Ing. Thorsten Schmidt, Institut für Technische Logistik und Arbeitssysteme, TU Dresden, Deutschland

Bei der strukturellen Gestaltung von Hochleistungsbeton-Bauwerken und Zerlegung im Top-Down-Prozess in einzelne Module  gibt es eine Vielzahl an gleichwertigen Varianten . Die Module können aus fertigungstechnischer Sicht mit unterschiedlichen Herstellungsverfahren unter annähernd gleicher Qualität hergestellt werden. Um die Module kostenoptimal mit hoher Produktionsleistung herzustellen, bestehen zahlreiche Möglichkeiten zur Produktionsprozessgestaltung und -organisation. Somit resultieren nahezu unbegrenzt viele Varianten zur konstruktiven und produktionstechnischen Bauwerksrealisierung.

Bedingt durch den Freiheitsgrad zur Bauwerkszerlegung ist die Variantenvielfalt aus konstruktiver Sicht  im Vergleich zu anderen Branchen höher und heterogener. Während bspw. im Automobilbau die Varianten zur Endproduktzerlegung durch Funktionen der Einzelteile geometrisch vordefiniert sind, gibt es bei der Zerlegung eines Hochleistungsbeton-Bauwerks nahezu unbegrenzt viele geometrische Varianten. Die Variantenanzahl als Eingangsgröße zur Grundmoduldefinition für die Baukastensystementwicklung ist ungleich höher.

Es muss eine Vorauswahl der Zerlegungsstrategien bzw. Ableitung von Restriktionen erfolgen, um abzuschätzen, ob sich ein Modul für die Baukästen eignet. Dazu ist die Bewertung einzelner Modulvarianten aus produktionstechnischer Sicht notwendig. Aktuell existieren keine Möglichkeiten zur effizienten Bewertung der Zerlegungsvarianten mit prognostizierter Stückzahl aus produktionstechnischer bzw. ablauforganisatorischer Sicht hinsichtlich der Zielstellung einer hohen Ausbringung bei niedrigen Einzelstückkosten. Aktuell existieren für Hochleistungsbeton-Bauteile zudem aus produktionstechnischer Sicht keine konkreten Gestaltungsrichtlinien.

Entwicklungsziel ist somit eine Methode zur ganzheitlichen Bewertung und Vorauswahl von Zerlegungsstrategien und -technologien für Hochleistungsbeton-Bauwerken in der frühen Baukastenentwicklungsphase. Durch die Auswahl geeigneter Strategien ergibt sich aus produktionstechnischer Sicht ein hohes Potential zur Reduzierung von Verschwendung.

Aufgrund der hohen Variantenanzahl und komplexen Wirkzusammenhänge zwischen Modul, Herstellungsverfahren und Ablauforganisation sowie des Einflusses unsicherer Parameter soll als methodischer Ansatz zur Variantenbewertung des optimalen Produktionssystems die simulationsbasierte Optimierung zur Anwendung kommen. Dazu sind technologie- bzw. prozessrelevante Produktionssystem-Bausteine zu definieren und mittels parameterbasierter Modellgenerierung beliebige Produktionssystemvarianten als Simulationsmodell zu konfigurieren.

Um den Simulationsaufwand zu reduzieren, sollen Simulationsdaten in maschinelle Lernmodelle überführt werden, sodass für ähnliche Baustrukturen Vorschläge zur Grundmodulauslegung sowie Stückkostenprognose möglich sind (siehe Abb.). Da in der frühen Phase der Grundmodul- bzw. Baukastenentwicklung nur grobe Moduleigenschaften sowie Verfahrensparameter bekannt sind, ist ein Abstraktionsniveau zu wählen, mit dem hinreichend genaue Aussagen zur Erreichung der Zielgrößen bei Realisierung einer Zerlegungsvariante möglich sind. Weiterhin besteht das Ziel, aus Herstellungsverfahren und Ablauforganisation Restriktionen an den Modulzerlegungsprozess zu determinieren, sodass durch Iterationsprozesse eine ganzheitliche Optimierung stattfindet und unterstützt durch maschinelle Lernverfahren allgemeingültige Gestaltungsrichtlinien abgeleitet werden. 

 

Kontakt

Literatur
[1] Borrmann A., König M., Koch C., Beetz J. (2018) Building Information Modeling: Why? What? How?. In: Borrmann A., König M., Koch C., Beetz J. (Hg.) Building Information Modeling. Cham. Springer International Publishing, S. 1–24
[2] Biffl, S.; Gerhard, D.; Lüder, A (2017): Introduction to the Multi-Disciplinary Engineering for Cyber-Physical Production Systems. In: Biffl, Gerhard und Lüder (Hg.): Multi-Disciplinary Engineering for Cyber-Physical Production Systems. data models and software solutions for handling complex engineering projects, Bd. 94. Cham: Springer International Publishing, S. 1–24
[3] Gerhard, Detlef (2020): Digital Engineering – Basis für Smarte Produkte und Services. In: M. Steven und J. N. Dörseln (Hg.): Smart Factory: Einsatzfaktoren - Technologie - Produkte: Kohlhammer Verlag, S. 21-34
[4] DIN SPEC 91345:2016-04, Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0), Beuth Verlag, Berlin.
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