Auf Automatisierung folgt Digitalisierung

Vollautomatisierte Produktionsstraßen, Roboter-Leitstände, Just-in-Time Produktion, längst sind diese Begriffe nicht mehr die exklusive Domaine der Automobilindustrie. Wer schon einmal ein modernes Betonfertigteilwerk von innen gesehen hat, der weiß das. Produktion 4.0 ist auf dem Vormarsch, hier ist die Branche auf einem guten Weg.

Können sich die Unternehmen also entspannt zurücklehnen und abwarten? „Nein“, sagt Christian Landes, „die Digitalisierung der Prozesse endet nicht außerhalb der Produktionshallen. Künstliche Intelligenzen erobern gerade die Schnittstellen zum Kunden. Hier liegen noch erhebliche Potenziale.“

Der Gründer und Geschäftsführer der N1 Trading GmbH aus Offenburg beschäftigt sich mit Künstlicher Intelligenz und der Digitalisierung von Vertriebsprozessen. Er ist sich sicher: Wer Daten auf clevere Weise analysiert, kann heute Geschäftsmodelle entwickeln, die vor Kurzem noch undenkbar gewesen wären. Für ihre „Automatische Analyse von Leistungsverzeichnissen“ wurde die N1 nun beim Innovationswettbewerb für Künstliche Intelligenz des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet. Für Landes ist das aber nur ein Baustein. Sein Team arbeitet an digitalen Lösungen für alle Phasen des Bauzyklus.

Künstliche Intelligenz ist ein treibendes Element der Digitalisierung der Wirtschaft. Mit der KI-Technologie lässt sich für Unternehmen viel Zeit und Geld sparen, etwa wenn künftig für die Erstellung von Angeboten Minuten statt Stunden benötigt werden. Christian Landes befasst sich schon seit dem Studium mit dem Wandel in der Baubranche und den Stufen der digitalen Transformation. Wirtschaft 1.0, 2.0 und 3.0 – bis zu diesem Punkt hat das Produkt im Mittelpunkt der Überlegungen gestanden. Diesen Wandel kann man nun ganz deutlich in der Betonindustrie sehen: Wie sieht die perfekte Betonrezeptur aus, wie optimiere ich meine Umlaufzeiten und den Stahleinkauf? „Alles gute und berechtigte Fragen, nur eben sehr produktzentriert“, sagt der 42-Jährige.

Wenn es nun aber um die Wirtschaft und vor allem dem Vertrieb 4.0 geht, dreht sich alles um die Nutzer und Kunden, um smarte, situativ relevante Lösungen und neuronale Systeme, die ohne den Einsatz von KI nicht möglich wären. „Es wird immer wichtiger zu verstehen, was bewegt den Kunden, welche Bedürfnisse hat er und welche Probleme liegen bisher in Geschäftsprozessen begraben, etwa bei der Arbeit mit Ausschreibungsunterlagen wie zum Beispiel den Leistungsverzeichnissen“, sagt Christian Landes. Der diplomierte Bau- und Wirtschaftsingenieur kennt sich in der Baubranche aus. Nach seinem Studium an der Universität in Karlsruhe war Landes mehrere Jahre in verschiedenen Positionen für HeidelbergCement tätig, ehe er sich selbstständig machte. 2017 hat Landes dann die N1 Trading GmbH gemeinsam mit der Volksbank e.G. in Offenburg gegründet. 
Die Baubranche nennt Landes sehr technologieaffin, speziell die Betonindustrie. Dennoch habe die Branche einen starken Nachholbedarf, was die Digitalisierung bei Marktprozessen angeht. „Gerade in der Vergangenheit hat der eine oder andere Unternehmer gedacht, ich besitze Rohstoffe und produziere hochautomatisiert Beton, was interessiert mich Künstliche Intelligenz“, sagt Landes. Die physischen Güter und Rohstoffe der Baubranche hätten sicherlich eine Schutzfunktion vor den schnellen Auswirkungen der Transformation.
Als Gegenbeispiel nennt der N1-Gründer die Finanzbranche: Die hat keine solche physikalischen Produkte, weshalb der digitale Wandel dort schneller eingesetzt hat und nun viel weiter ist. Er weiß das aus eigener Erfahrung, weil er seit vielen Jahren mit der Volksbank e.G. zusammenarbeitet, die die Herausforderungen der Transformation unter anderem dadurch gemeistert habe, dass sie inzwischen zu einem europaweit führenden Anbieter von digitale Zahlungssystemen geworden sei.

„Da haben wir uns viel bei der Entwicklung von digitalen Ökosystemen an- und abgeschaut“, sagt Landes und fügt an, „ich rede jetzt aber nicht davon, dass etwa ein Betonwerk im Rahmen der Transformation zum neuen Paypal wird. Ich bin aber davon überzeugt, dass sich jedes Unternehmen mit der Digitalisierung von Prozessen beschäftigen muss. Gerade an der Schnittstelle zum Kunden. Sonst werden früher oder später andere den Job machen, diesen Trend können wir ja bereits heute im Markt erkennen.“ Um da nicht zurückzufallen, bieten Landes und seine N1 interessierten Unternehmen ihre Hilfe an.

Für das Start-Up geht es darum, ein Bauvorhaben zu entschlüsseln, sozusagen dessen DNA mit Hilfe von KI zu verstehen und ein tiefgreifendes Verständnis dafür zu entwickeln, was wird wann, in welcher Menge und wo benötigt, um dann die richtigen Entscheidungen zu treffen. Bei der Analyse von Ausschreibungen ist eine Herausforderung dabei die Entschlüsselung der Fachsprache. Die neuronalen Netze von N1 lernen ständig dazu, auch wie nachgeordnete Abhängigkeiten von Normen oder ein spezifische Betonrezeptur funktioniert. Dadurch entsteht nach und nach ein Tiefenwissen, aus dem sich weitere Applikationen und Lösungen entwickeln lassen. Die automatisierte Analyse von Leistungsverzeichnissen ist für N1 daher nur die Spitze des Eisbergs. „Wir denken langfristig an ein digitales Ökosystem Bau, das aus Software-as-a-Service-Lösungen (SaaS) und digitalen Marktplätzen besteht“, blickt der Geschäftsführer nach vorne.

Künstliche Intelligenz ist aber längst nicht mehr nur Theorie. Die digitalen Marktplätze der N1 für den Handel mit Asphalt „EASPHALT“ und Schüttgütern wie Sand und Kies „EMINERALS“ laufen bereits seit einiger Zeit, ein neutraler Marktplatz speziell für die Betonindustrie befindet sich im Aufbau. Die ersten individuellen KI-Software-Produkte sind auch schon einsatzbereit. „Durch die Auszeichnung beim KI-Innovationswettbewerb und das damit verbundene Preisgeld können wir unsere Prozesse und das Wachstum in den Kompetenzfeldern Asphalt, Schüttgüter und Beton nun sogar beschleunigen.“

Gerade im Bereich Beton will Christian Landes seine Aktivitäten vertiefen und die Unternehmen auch von seiner Kooperation mit Greenprofi profitieren lassen. Greenprofi ist Deutschlands führender Bauinformationsdienst für öffentliche Ausschreibungen, Bauprojekte und Submissionsergebnisse. Durch eine passende Schnittstelle können N1-Kunden in den Anwendungen ihr Greeenprofi-Datenabo hinterlegen. Dadurch ist nicht nur die Datendurchgängigkeit gewahrt, es lassen sich auch sofort erste KI-Analysen beginnen. „Die Erkennungsraten unserer Künstlichen Intelligenz ist in den aktiven Segmenten jetzt schon sehr hoch“, fügt Christian Landes an, „die Tiefenentwicklung der Daten nimmt zudem beständig zu, da das System selbstlernend arbeitet“.

Welche Vorteile bringt eine Künstliche Intelligenz nun konkret Bauherren, Bauunternehmern und auch Baustoffherstellern? Christian Landes hat alle Zielgruppen gleichermaßen im Blick. Die Baustoffhersteller können durch eine Optimierung der Prozesse ihre Ressourceneffizienz erhöhen und beispielsweise von einer Zeitersparnis und einer effizienteren Marktbearbeitung profitieren, etwa bei der Erstellung von Angeboten. „Durch unsere KI haben die Hersteller künftig ganz individuell zum richtigen Zeitpunkt und für den richtigen Ort das passende Angebot parat – und zwar auf Knopfdruck.“

Das macht die N1-Produkte auch für Bauunternehmen interessant: Die KI hilft ihnen beim Lesen und Auswerten von Leistungsverzeichnissen. Was soll wann, wo und wie gebaut werden und ist das für uns interessant? Es hilft damit auch bei der Kalkulation von Projekten. Durch die entstehende Transparenz kann ein Bauunternehmen unter anderem auch seine Stoffströme und damit den Ressourcenverbrauch optimieren. „Das stärkt in diesem Fall die Unternehmensstrategie um eine wichtige Säule, weil man nun nachhaltig, CO2- und ressourceneffizient wirtschaften kann“, erklärt Landes, der in Kooperation mit einem innovativen Bauunternehmen aus Baden-Württemberg eine entsprechende Applikation entwickelt hat.

Und auch die Bauherren bzw. deren Planer profitieren von der KI. Denn je früher und detaillierter ein Angebot ist, umso höher sind die Kosten- und Planungssicherheit. „So fügt sich ein Rädchen ins andere“, meint Christian Landes, der sich aktuell über die Auszeichnung beim KI-Innovationswettbewerb des Landes Baden-Württemberg und eine finanzielle Förderung durch das Wirtschaftsministerium freut. Zum einen könne man das Preisgeld gezielt für Forschung und Entwicklung einsetzen, um das Thema Künstliche Intelligenz für die Baubranche voranzubringen.

Genauso viel wert sei für ihn aber auch die Aufmerksamkeit, die die Auszeichnung N1 als innovatives Unternehmen bringe. Man sei seit der Bekanntgabe vielfach von Unternehmen aus der Branche, von Verbänden und der Forschung kontaktiert worden, mit der Bitte, sich zu vernetzen und zum Austausch zu treffen. „Das ist für uns Gold wert, um unser Geschäftsmodell voranzubringen und zu entwickeln. Denn aus diesen Gesprächen entstehen oftmals neue Ideen und unser Problembewusstsein wird geschärft.“

Denn für N1 ist es nun die Herausforderung, jeden Kunden auf der Stufe abzuholen, auf der er aktuell steht. Mittlerweile habe jeder verstanden, dass die Zeiten des Faxgeräts vorbei seien. Wer sich nicht mit Prozess-Digitalisierung und mit KI beschäftige, werde abgehängt. Zumal das Potenzial riesig sei. Im Markt finden sich aber ganz unterschiedliche Ausgangssituationen. Da könne es durchaus auch mal vorkommen, dass das Team von N1 sich zunächst mit der Qualität von Stammdaten auseinandersetzen muss. „Beim Aufbruch in ein neues Zeitalter muss da halt einmalig aufgeräumt werden“, sagt Landes, „Wir haben bisher aber noch niemanden getroffen, der nicht nach kurzer Zeit versteht, dass dies eine Investition in die Zukunft ist. Denn auch hier gilt: Daten sind das neue Gold.“

N1 hat von Heidelberg aus begonnen, den deutschen Markt zu bearbeiten. Längst macht man aber nicht mehr als Ländergrenzen Halt. „Deutschland ist unsere Heimat, aber ein schwieriger Markt“, sagt Landes, deshalb schaue man auch über den Tellerrand, nach Osteuropa oder nach Skandinavien. Viele Unternehmen seien dort digital schon viel weiterentwickelt. „Deshalb ist unser Plan auch dort zu wachsen. Wir haben etwa bereits einige Kunden aus Dänemark und unsere Technologie von Beginn an mehrsprachig aufgesetzt.

Regionalität spielt für N1 bei der Entwicklung eine Bau-KI eine große Rolle, denn Bauen ist immer regional. Das betrifft die Rohstoffe genauso wie die Unternehmen und vor allem die Logistik. Einkaufsradien sind in der Regel eng gefasst. Daher macht ein allgemeines System keinen Sinn, sondern man muss immer individuell denken. Zumal das BIM, das Building Information Modelling, die Bauprozesse stark verändern wird. Beim BIM werden einfach gesagt alle relevanten Bauwerksdaten mit Hilfe von Software digital erfasst, modelliert und kombiniert.

Deshalb ist für N1 die automatische Auswertung von Leistungsverzeichnissen auch nur eine Brückentechnologie. „Wir denken längst weiter und bewegen uns in Zukunft vom Tief- zum Hochbau. Die Logik und Mechanik für solche Bauwerke sind die gleichen, die Komplexität ist jedoch viel höher.“ Die Produkte der N1 Trading GmbH sollen künftig übergreifend die Integration von BIM-Prozessen in ein Ökosystem Bau ermöglichen.
 

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www.n1trading.com

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